Demokratie und Partizipation - CReality

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Demokratie und Partizipation

Sozio-kult. Wandel


Für eine umfassende Demokratie auf globaler, nationaler und lokaler Ebene unter Einbezug aller Menschen

Buchhinweis:
Christian J. Jäggi:

Frieden, politische Ordnung und Ethik. Fragestellungen - Erklärungsmodelle – Lösungsstrategien
Baden-Baden: Tectum Verlag. 214 Seiten. ISBN 978-3-828-84238-0

Preis:  ca. EURO 48.00, gebunden., auch als eBook.
Zum Inhalt:

Diskussionen über aktuelle politische Fragen wie Krieg, Gewalt, Terrorismus, Geopolitik und Demokratie wurden lange Zeit sehr fachspezifisch geführt und befassten sich vor allem mit Aspekten der Friedens- und Konfliktforschung, politikwissenschaftlichen Theorien und Handlungsstrategien sowie demokratietheoretischen Fragestellungen.
Der vorliegende Band nimmt diese Themen auf und diskutiert sie vor dem Hintergrund einer übergreifenden Friedensethik und einer transnationalen politischen Ethik. Insbesondere werden Fragen der Globalisierung und ordo-politischer Vorstellungen, Möglichkeiten und Grenzen transnationaler Demokratie und Möglichkeiten einer globalen Friedensordnung thematisiert. Im Zentrum stehen dabei Fragen der Menschenrechte, der Solidarität und Sicherheit, der sozialen Gerechtigkeit und persönlichen Freiheit sowie der politischen Partizipation.
Gefordert werden ein neuer Umgang mit Macht, Verletzlichkeit und Gewalt sowie eine erneute Diskussion über einen demokratischen Weltstaat.
Weitere Bände in Vorbereitung:
Bausteine einer politischen Friedensordnung im Judentum (2019)
Bausteine einer politischen Friedensordnung im Christentum (2020)
Bausteine einer politischen Friedensordnung im Islam (2021)
Säkulare und religiöse Bausteine einer universellen Friedensordnung - eine Zusammenschau (2022)
Bestellungen bei creality@bluewin.ch, wir leiten Ihre Bestellung gerne an den Verlag weiter.

Buchhinweis:

Christian J. Jäggi:

Auf dem Weg zu einer inter-kontextuellen Ethik. Übergreifende Elemente aus religiösen und säkularen Ethiken.
Münster: Lit Verlag 2016. Reihe: Ethik interdisziplinär. Band 23. 310 Seiten. ISBN 978-3-643-80244-6 Preis: 34.90 EUR, 34.90 CHF, br.
Zum Inhalt:
Ethische Vorstellungen beruhen auf zwei  grossen geisteswissenschaftlichen Quellen: Auf religiösen Glaubensvorstellungen göttlicher Heilordnungen und auf den Vorstellungen von Vernunft, Freiheit und  Autonomie. Beide, also religionsspezifische Ethikvorstellungen und aufklärerisches Denken, sind in jüngster Zeit an ihre Grenzen gestossen. Religiöse Ethiken stehen einerseits vor der Herausforderung des Fundamentalismus und verlieren anderseits an Verbindlichkeit. Säkulare Ethiken verlieren sich in individuellen Beliebigkeiten und leiden unter weggebrochenen Wertvorstellungen. Vernunft und Rationalität zerfallen zunehmend in eine Vielzahl sozio-kultureller Codes, Weltanschauungen und individueller Weltverständnisse. Im ersten Teil dieses Bandes werden wichtige religiöse Zugänge zur Ethik beschrieben. Im zweiten Teil kommen zentrale ethische Aspekte des säkularen Denkens zur Sprache. Die daraus ableitbaren Elemente bilden Bausteine für eine grenzüberschreitende, universelle Ethik.
Bestellungen direkt an uns: creality@bluewin.ch. Wir leiten Ihre Bestellung gerne an den Verlag weiter.



Analyse


Studien zu Wahlen und Abstimmungen zeigen, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerungen der westlichen Demokratien politisch apathisch ist und sich nicht an politischen Aktivitäten beteiligt (vgl. z.B. Bachrach 2010:10). Joseph Schumpeter (1961:242; zitiert nach Bachrach 2010:9) definierte Demokratie als „politische Methode … um zu politischern Entscheidungen zu kommen in welchen Einzelpersonen mit Hilfe des Wettbewerbs um Stimmen der Bevölkerung Macht erlangen“. Laut Schumpeter (1961:285, zitiert nach Bachrach 2010:9): bedeutet „Demokratie … nur, dass das Volk die Möglichkeit hat, die Leute, welche es regieren, zu akzeptieren oder abzulehnen“. Damit stellt sich die Frage nach der Rolle von politischen Eliten in Demokratien.

Einige politische Theoretiker vor allem in den 1960er und 1970er Jahren – wie Harold Lasswell und Robert Dahl in den USA, Raymond Aron in Frankreich, John Plamenatz in England und Giovanni Sartori in Italien – vertraten die Meinung, dass die Dominanz politischer Eliten in keiner Weise die Demokratie unterminiert oder bedroht. Im Unterschied zu Diktaturen – wo eine einzige politische Elite die Macht besitzt - konkurrierten in Demokratien mehrere politische Eliten um die Macht. Dabei vertreten die verschiedenen politischen Eliten unterschiedliche Positionen zu aktuellen Tagesfragen (vgl. Bachrach 2010:10). Doch der Elitebegriff war und ist unter Demokrat/inn/en zu Recht nicht sehr beliebt – zu stark hatten faschistische und nationalsozialistische Theoretiker diesen Begriff instrumentalisiert, um ihre Herrschaft zu legitimieren. Verwendet man jedoch den Elitebegriff rein deskriptiv und klassifikatorisch – und nicht normativ -, dann bezeichnet er diejenigen Personen oder Gruppen, welche in einer Gesellschaft hohe und höchste Positionen einnehmen. Laut Bachrach (2010:14) gibt es sehr unterschiedliche Eliten, so etwa in der Wirtschaft, in der Bildung oder eben in der Politik.

Demgegenüber kritisierten Gegner an der Elite-Theorie, dass diese den Bürgerinnen und Bürgern nur eine passive Rolle als ein Objekt politische Aktivitäten zugesteht (Walker 2010:75). Einzige Möglichkeit der Beeinflussung des politischen Geschehens sei die Teilnahme an den nationalen Wahlen. Sieht man das so, dann verliert die klassische demokratische Theorie viel von ihrer Lebenskraft. Die Elite-Theorie führt nach Meinung ihrer Gegner zu politischer Passivität, zum Verlust politischer Visionen und zum Phänomen der „schweigenden Mehrheit“. Auch führt das heute weit verbreitete System indirekter Demokratie zur Unterdrückung und Kontrolle interner Konflikte (Walker 2010:79). Entsprechend sehen die Vertreter der Elite-Theorie die Menschen als politisch passiv und unkreativ an – demokratische Massenbewegungen werden als irrationaler Ausbruch antidemokratischer Energien gesehen. Der Rückzug aus der Politik und die Beschränkung auf die privaten Probleme sind damit vorprogrammiert. Soziale und politische Bewegungen – insbesondere in der Unterschicht – werden als antidemokratisch und gefährlich und als Basis für populistische Politiker gesehen.

In den letzten Jahren prägten vor allem zwei Faktoren die Entwicklung der Demokratie: die zunehmende Globalisierung und die Mediatisierung der Entscheidfindungsprozesse. Auf der einen Seite werden immer mehr relevante und verbindliche Entscheidungen in internationalen Organisationen wie Internationaler Währungsfonds, Welthandelsorganisation und EU getroffen, ohne dass diese einer demokratischen Kontrolle unterliegen – sei es Parlamentsentscheidungen oder Volksabstimmungen. Kriesi/Rosteck (in Die Volkswirtschaft 1-2/2011:57) vermerken dazu: „Diese [supranationalen Institutionen] sind jedoch demokratisch kaum legitimiert, da ihre Entscheidungsträger nicht direkt gewählt oder indirekt von den gewählten nationalen Repräsentanten abhängig sind. Somit ist eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen der Demokratie nicht mehr gegeben: die Legitimation der Entscheidungsträger durch die von der Entscheidung Betroffenen“.

Auf der anderen Seite sind Demokratien immer stärker mit Medien konfrontiert, die nicht mehr weltanschaulich oder parteipolitisch ausgerichtet sind, sondern durch die zunehmende Kommerzialisierung immer stärker den Gesetzmässigkeiten ihres (Nachfrage-)Marktes folgen. Die Medien setzen zunehmend ihre eigene Agenda und werden damit selbst zu politischen Akteuren. Umgekehrt müssen sich die Politiker viel stärker den Regeln der Medien unterwerfen, also auf aktuelle News reagieren, von Medien gesetzte Themen aufnehmen und stärker persönlich polarisieren. All das ist dem demokratischen Prozess nicht förderlich, ja kann sogar Medienmogulen an die Macht verhelfen, wie etwa Berlusconi in Italien. Diese unterliegen der Versuchung, sich immer stärker den demokratischen Spielregeln zu entziehen.

Ein Forschungsteam der Universität Zürich und des Wissenschaftszentrums Berlin hat ein so genanntes Demokratiebarometer entwickelt, welches die Praxis und die Qualität von Demokratien mit rund 100 Indikatoren messen will. Dabei wurde die Schweiz nur im Mittelfeld platziert (vgl. Vogt in Neue Zürcher Zeitung vom 22.2.2011b).

Besonders schlecht schnitt die Schweiz im Bereich Demokratie und Gewaltentrennung ab, und nur mittelmässig im Bereich Demokratie und Rechtsstaat. Dabei spielte unter anderem die fehlende Verfassungsgerichtsbarkeit in Bezug auf die Bundesgesetze eine Rolle.

Nicht alle Kriterien der Demokratieforscher/innen sind über jeden Zweifel erhaben. So leuchtet nicht ohne weiteres ein, warum ein professionelles Gericht einem Milizgericht per se überlegen sein muss – die geringere juristische Kompetenz der Richter wird durch die Bürgernähe und breitere Rekrutierungsbasis von Richtern aus anderen Berufen mehr als wett gemacht. Ebensowenig ist die geringere Amtsdauer eines Richters nicht zwingend ein Demokratiemangel – es könnte durchaus auch umgekehrt sein. Auch leuchtet nicht ein, warum nicht das Demonstrationsrecht an sich, sondern dessen effektive Nutzung ein Demokratiemassstab sein soll.

Konkordanz, Subsidiarität der verschiedenen Demokratieebenen wie Bund, Kantone und Gemeinden und sozio-kulturelle Akzeptanz eines demokratischen Systems sind zentralistischen, unter Umständen von aussen und oben übergestülpten „Demokratien“ mindestens ebenbürtig wenn nicht überlegen. Obwohl zwar der viel kritisierte Föderalismus zeitaufwendig ist, sind die Ergebnisse föderalistischer Entscheidungsprozesse in der Regel auch langlebiger und erhalten grössere Akzeptanz in der Bevölkerung. Direkt demokratische Instrumente wie Initiative und Referendum sind ein gutes Mittel, um Einseitigkeit, Bürokratielastigkeit und Interessenpolitik von Regierungsgruppen zu korrigieren oder mindestens zu relativieren. Sie sind auch ein Gegengewicht zu überstarker Zentralisierung und Dominanz „professioneller“ Politiker. Alle, die einer Herrschaft unterworfen sind, müssen diese auch kontrollieren können (vgl. Blatter in Neue Zürcher Zeitung vom 22.2.2011a). Sehr richtig weist Blatter auch darauf hin, dass das eigentliche Demokratiedefizit in der Schweiz nicht in dessen direktdemokratischen Instrumenten oder im Föderalismus liegt, sondern in der Tatsache, dass 20% der Wohnbevölkerung nicht abstimmen und wählen kann (mehr dazu ... ). Zu problematischen Abstimmungsentscheiden kommt es unter anderem dann, wenn die Hauptbetroffenen – wie etwa beim Minarett-Verbot in der Schweiz – nicht abstimmen können.


Lösungsansätze

Was bedeutet nun dies alles für die partizipativen und demokratischen Rechte?
Folgende Thesen drängen sich auf:
1.   Allen Bevölkerungsgruppen ist das vollumfängliche Stimm- und Wahlrecht unabhängig von der Nationalität zu gewähren.
2.   Demokratie und Partizipation müssen im Sinne eines permanenten Lernprozesses, der allen Gruppen der Wohnbevölkerung offen sein muss, ausgebaut werden.
3.  Demokratie und Partizipation garantieren in institutionalisierter Form eine ständige Aushandlung neuer und an die gesellschaftlichen Änderungen angepasster Lösungen – insbesondere in sozialen, wirtschaftlichen und politischen Konflikten.
4.   Demokratie und Partizipation braucht es auf allen vier Ebenen, also in den Gemeinden, in den einzelnen Landesteilen (z.B. Kantonen, Départements, Bundesländern oder Dsitrikten), auf nationaler Ebene und weltweltweit.


Angeführte Literatur
Bachrach, Peter (ed)
2010: Political Elites in a Democracy. New Brunswick/USA und London: AdlineTransaction. Erstauflage: New York 1971: Atherton Press.
Die Volkswirtschaft
1-2/2011: Kriesi, Hanspeter / Rosteck, Yvonne: Herausforderungen für die Demokratie im 21. Jahrhundert.
Neue Zürcher Zeitung
22.2.2011a: Blatter, Joachim: Demokratie – republikanische und liberale Sicht.
22.2.2011b: Vogt, Hans-Ueli: Die Schweiz – ein demokratischer Musterstaat.
Schumpeter, Joseph (ed.)
1961: Capitalism, Socialism, and Democracy. London.
Walker, Jack L.
2010: A Critique of the Elitist Theory of Democracy. New Brunswick/USA und London: AdlineTransaction. Erstauflage: New York 1971: Atherton Press.

Weiterführende Texte
Jäggi, Christian J.
2014: Integration und Partizipation. LE I 32. 38 Seiten. Meggen: Inter-Active.
Bezugsadresse: creality@bluewin.ch.


   

 
 
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