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Migration

Sozio-kult. Wandel


Für ein weltweites Menschenrecht auf Migration und freie Niederlassung

Buchhinweis - Neuerscheinung 2018:
Christian J. Jäggi:

Frieden, politische Ordnung und Ethik. Fragestellungen - Erklärungsmodelle – Lösungsstrategien
Baden-Baden: Tectum Verlag. 214 Seiten. ISBN 978-3-828-84238-0

Preis:  ca. EURO 48.00, gebunden., auch als eBook.
Zum Inhalt:

Diskussionen über aktuelle politische Fragen wie Krieg, Gewalt, Terrorismus, Geopolitik und Demokratie wurden lange Zeit sehr fachspezifisch geführt und befassten sich vor allem mit Aspekten der Friedens- und Konfliktforschung, politikwissenschaftlichen Theorien und Handlungsstrategien sowie demokratietheoretischen Fragestellungen.
Der vorliegende Band nimmt diese Themen auf und diskutiert sie vor dem Hintergrund einer übergreifenden Friedensethik und einer transnationalen politischen Ethik. Insbesondere werden Fragen der Globalisierung und ordo-politischer Vorstellungen, Möglichkeiten und Grenzen transnationaler Demokratie und Möglichkeiten einer globalen Friedensordnung thematisiert. Im Zentrum stehen dabei Fragen der Menschenrechte, der Solidarität und Sicherheit, der sozialen Gerechtigkeit und persönlichen Freiheit sowie der politischen Partizipation.
Gefordert werden ein neuer Umgang mit Macht, Verletzlichkeit und Gewalt sowie eine erneute Diskussion über einen demokratischen Weltstaat.
Weitere Bände in Vorbereitung:
Bausteine einer politischen Friedensordnung im Judentum (2019)
Bausteine einer politischen Friedensordnung im Christentum (2020)
Bausteine einer politischen Friedensordnung im Islam (2021)
Säkulare und religiöse Bausteine einer universellen Friedensordnung - eine Zusammenschau (2022)
Bestellungen bei creality@bluewin.ch, wir leiten Ihre Bestellung gerne an den Verlag weiter.

Buchhinweis:

Christian J. Jäggi:
Migration und Flucht - wirtschaftliche Aspekte, regionale Hot Spots, Dynamiken, Lösungsansätze.
Wiesbaden: Springer Gabler Verlag 2016. 125 Seiten. ISBN 978-3-658-13147-0
Preis:  ca. CHF 36.-, ca. EURO 35.-, br., auch als eBook.
Inhalt:

Dieses Fachbuch ordnet die hochaktuelle Fluchtthematik in größere theoretische Zusammenhänge ein. Dabei werden die wichtigsten globalen Fluchtbewegungen und Migrationsrouten und regionale Hot Spots skizziert, und zwar aus europäischer und insbesondere aus schweizerischer Sicht. Für Migration und Flucht gibt es ökonomische Ursachen, aber auch Krieg, Gewalt und Naturkatastrophen führen dazu, dass eine wachsende Zahl von Menschen ihre Heimat verlässt. Neben Fragen des Überlebens sind oft auch der Wunsch nach einem besseren Leben die Motivation dazu. Im Gegensatz zu früheren Darstellungen der Migrationsforschung geht der Schweizer Autor Christian J. Jäggi nicht von linearen Migrationsverläufen, sondern von gleichzeitigen, bilokalen Lebensformen aus. Die ökonomischen Implikationen von Migration und Flucht sowohl für die Migranten als auch für die Herkunfts- und für die Einwanderungsländer werden dargestellt. Zudem werden internationale und globale Strategien und Lösungsansätze analysiert.
Im Einzelnen geht es um folgende Punkte:

  •  Globale Fluchtbewegungen und Migrationsrouten

  •  Flucht- und Migrationsgründe

  •  Transnationalität als Lebensform

  •  Partizipation als Fortsetzung der Integration

  •  Lösungsansätze

Bestellungen direkt an den Verlag:  springerDE-service@springer.com oder bei uns: creality@bluewin.ch, wir leiten Ihre Bestellung gerne an den Verlag weiter.



Analyse


Es gibt sehr unterschiedliche Theorien zur Migration. Wichtig ist, dass Migration und Flucht durch sehr unterschiedliche Faktoren ausgelöst werden können, oft sind die Migrations- und Fluchtursachen multifaktoriell und dynamisch.

Krieg, Armut, Arbeitslosigkeit, Umweltkatastrophen oder ganz einfach der Wunsch nach einem besseren Leben können Menschen dazu bringen, ihr Heimatland oder ihre Heimatregion zu verlassen.


Dabei sollte man jedoch nicht vergessen:
Noch 2010 begab sich nur rund jeder vierte Migrant in ein westliches Industrieland – die überwiegende Mehrheit blieb in Schwellenländern (vgl. Neue Zürcher Zeitung vom 18.11.2011).

Ein ökonomisch wichtiger Aspekt sind die Transferzahlungen in das Heimatland. Gegenwärtig werden schätzungsweise jedes Jahr von Migrantinnen und Migranten rund 500 Milliarden US Dollar nach Hause überwiesen, Tendenz steigend. Wichtige Empfangsstaaten waren und sind Bangladesh, Nepal und der Sudan.

In der Migration spielen verschiedene Faktoren und Dimensionen eine Rolle. Für einen wichtigen Teil der Migrierenden bedeutet Migration, gleichzeitig oder periodisch an mehr als einem Ort zu leben – oder den gleichzeitigen Aufenthalt einiger Familienmitglieder im Herkunftsland und einiger Familienmitglieder im Einwanderungsland. Darum spielen in der Migration transnationale Räume und Bilokalität eine wichtige Rolle. Dazu kommen strukturelle und konjunkturelle Entwicklungen im Auswanderungs- wie im Einwanderungsland, aber auch Dynamiken innerhalb der Migrationsgruppe. Ausserdem spielen historische Gegebenheiten eine Rolle. So könnte man den Satz von Jean-Christophe Rufin (1991:67) "C'est la frontière qui fait le réfugié" auch auf die Migrierende anwenden: Migrierende werden durch Landesgrenzen zu Ausländerinnen und Ausländern.


Grenzen drücken einen Anspruch von Staaten auf Personen aus – oder mit den Worten Dimitry Kochenovs (2015:144) – die Idee, dass Personen Staaten „gehören". Grenzen teilen geografische Räume in zwei von einander getrennte Räume – und schränken die Bewegungsfreiheit dazwischen ein oder heben sie gar auf. Deshalb bedeutet ein allgemeines Recht auf Migration und freie Niderlassung nichts anderes, als dass jeder Mensch frei seinen Wohn- und Lebensort wählen kann.

Die Schwierigkeit liegt darin, dass zwar Artikel 13 der Menschenrechtserklärung das Recht garantiert, das Heimatland und das Aufenthaltsland zu verlassen, und jederzeit in das Heimatland zurückzukehren, aber es gibt kein Recht darauf, in ein bestimmtes oder beliebiges Land einreisen zu können und sich dort niederzulassen.

Wie Kurzke-Maasmeier (2009:106) zu Recht betont hat, besteht ein nicht zu unterschätzender Widerspruch darin, dass heutzutage Kapital, Dienstleistungen und Produkte fast beliebig über die Landesgrenzen hinweg verschoben und ausgetauscht werden können, dass jedoch die Bewegungsfreiheit der Menschen teilweise so stark eingeschränkt ist wie selten zuvor.

Thesen:
1. Migration ist eine Überlebensstrategie für Menschen in Not-, Katastrophen- und Kriegsgebieten oder eine Strategie zur Verbesserung der Lebenssituation.
2. Migrationsbewegungen sind die Folge von Ressourcenverknappung, einseitigem Ressourcenkonsum durch Westeuropa und Nordamerika sowie der aufstrebenden Schwellenländer wie China oder Indien, dem Entstehen neuer wirtschaftlicher Bedürfnisse und der Zerstörung traditioneller ökologischer Gleichgewichte
3. Migration war und ist integrierter Bestandteil und Folge wirtschaftlicher Entwicklung und hat positive wie negative Auswirkungen auf die Auswanderungsregionen.
4. Migration findet zu einem erheblichen Teil innerhalb und zwischen den Ländern der Südhalbkugel statt.
5. Migration nützt den Einwanderungsländern.


Lösungsansätze

Aus ethischer Sicht muss eine Migrations- und Flüchtlingspolitik folgende Ziele anpeilen:
1)  Sicherstellung des rechtlichen Gehörs für Migrierende, Asylsuchende und Flüchtlinge,
2) Schutzpflicht der Asylsuchenden und Flüchtlinge im Aufnahmeland bei Angriffen auf Leben, Freiheit, Eigentum und massiven Verstössen gegen die Würde der Migrierenden und Schutzsuchenden,
3)  Ermöglichung und Sicherstellung einer menschenwürdigen Lebensführung und Existenzsicherung.

Regelungen, welche ganze Menschengruppen oder Einzelne ihrer Rechte berauben, aber auch Praktiken wie Ausschaffungshaft und Zwangsrückführungspraktiken gegen Asylsuchende sind mit dem Geist der Menschenrechte nicht zu vereinbaren.


Das Ungleichgewicht zwischen immer grenzenloserem Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr auf der einen Seite und der zunehmenden Abschottung und Kontrolle menschlicher Wanderungsbewegungen durch die Nationalstaaten auf der anderen Seite ist längerfristig unhaltbar. Letztlich kann nur ein freier, ungehinderter Grenzübertritt in alle Länder und ein weltweiter Abbau aller Wanderungshindernisse der zunehmende sozio-demografische Ungleichheit zwischen Ländern mit einer immer älter werdenden Bevölkerung (z.B. Japan, Westeuropa) und Ländern mit durchschnittlich immer jüngeren Menschen (z.B.: Ägypten, Vietnam, Indonesien, afrikanische Länder) entgegenwirken.

Ja, man müsste noch weiter gehen: Letztlich lässt sich die grosse weltweite Ungerechtigkeit zwischen armen und privilegierten Menschen nur dann wirksam und nachhaltig angehen, wenn jedem Mensch ein weltweit gültiges und einforderbares Recht auf Migration und Niederlassung zugesprochen und garantiert wird.
Vor bald 100 Jahren forderte etwa Silvio Gesell (1984:92, vgl. auch Bichlmaier 2009:382) ein Niederlassungsrecht für alle Menschen und zwar überall auf der Welt.

Gleichzeitig müssen alle Menschen – unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem aktuellen Wohnort – uneingeschränktes Stimm- und Wahlrecht haben, und zwar auf der Ebene der Wohngemeinden, des Staates und auch weltweit. Es ist historisch überholt, wenn – wie z.B. in der Schweiz – über 20% der Wohnbevölkerung ihre bürgerlichen Rechte nicht ausüben können, weil sie nicht über die richtige Staatsbürgerschaft verfügen. Deshalb: Stimm- und Wahlrecht für alle Menschen und überall an ihrem Wohnort. Die zunehmende Mobilität wird diese Lösung früher oder später unumgänglich machen.

Angesichts der zunehmend transnationalen Sichtweise der Migration stellt sich die Frage nach dem territorialen Bezug.
Territorial abgegrenzte Lebens- und Arbeitsräume erscheinen für einen wachsenden Teil der Bevölkerung und der Immigration zunehmend überholt und wenig realitätsnah. Durch die bilokale und transnationale Lebensform stehen die Migrierenden vor zusätzlichen Anpassungs- und Abstimmungsproblemen. Dies ist deutlich stärker der Fall, als lange Zeit angenommen: Migrantinnen und Migranten stehen zwischen unterschiedlichen Sozial-standards – z.B. hinsichtlich Arbeitsrecht, in der sozialen Vorsorge usw. – und sie sind auch gezwungen, die teilweise sehr unterschiedliche Standards im Auswanderungs- und im Einwanderungsland aufeinander abzustimmen.

Mit anderen Worten: Konzepte der ausschliesslichen Nationalität in einem Land sind in transnationalen Migrationsräumen wenig geeignet. Alternativen könnten sein: Doppelte oder mehrfache Staatsbürgerschaften in beiden oder in mehreren Ländern. Besser wären jedoch die Gewährung der vollen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte – wie etwa  Stimm- und Wahlrecht – am jeweiligen Lebens- oder Hauptaufenthaltsort. Dabei könnte die betreffende Person entscheiden, an welchem Ort sie ihre Bürgerrechte ausüben wollen.

So sehen Faist, Gerdes und Rieple (2008:101) die Ausbreitung der doppelten Staatsbürgerschaft einerseits als Vorstufe eines kosmopolitischen Bürgerrechts und anderseits als Ausdehnung der Menschenrechte.

Wie auch immer: Auf staatliche Steuerungsversuche mittels Repression in den Einwanderungsländern, die eh nicht funktionieren, sollte verzichtet werden. Dagegen sollte die Migration weltweit frei gegeben werden. Zweifellos wird sich nach einer Anfangsphase verstärkter Immigration in die reichen Länder Amerikas, Europas, Asiens und des Nahen Ostens deren Attraktivität für Immigrierende automatisch verringern, spätestens zu dem Zeitpunkt, als der Arbeitsmarkt in den betreffenden Ländern gesättigt ist.


Angeführte Literatur
Bichlmaier, Simon
2009: Zu Geld und Ökonomie. Gelnhausen: Wagner-Verlag.
Faist, Thomas / Gerdes, Jürgen / Rieple, Beate
2008: Dual Citizenship as a Path-dependent Process. In: Portes, Alejandro / DeWind, Josh (Hrsg.): Rethinking Migration. New Theoretical and Empirical Perspectives. New York / Oxford: Berghahn Books.

Kochenov, Dimitry
2015:  The Right to Leave Any Country Including One’s Own. In: Plender, Richard (Hrsg.): Issues in International Migration Law. Leiden / Boston: Brill Nijhoff. 143 – 177.

Kurzke-Maasmeier, Stefan
2009: Migation ohne Grenzen: menschenrechtsethische Implikationen einer konkreten Utopie. In: Gerth, André / Holz, Johannes / Franken-Wendelstorf, Regina (Hrsg.): Flucht und Migration in und aus Afrika. Herausforderungen und Chancen für Politik und Kirche. München: Don Bosco Medien GmbH.
Neue Zürcher Zeitung
18.11.2011: Entwicklungsländer in der Armutsfalle. Die am wenigsten entwickelten Länder vertiefen ihre Wirtschaftsbeziehungen mit Süd-Ländern.
Rufin, Jean-Christophe
1991: L'Empire et les Nouveaux Barbares. Editions Jean-Claude Lattès.

Weiterführende Texte
Jäggi, Christian J.
201
5: Transnationalität und Migration. LE I 31. 14 Seiten. Meggen: Inter-Active.
201
5: Migration. LE I 30. 43 Seiten. Meggen: Inter-Active.
201
5: Recht auf Migration und Recht auf freie Niederlassung als Menschenrechte. LE V 40. 22 Seiten.
Bezugsadresse: creality@bluewin.ch.

   

 
 
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