Gesundheit für alle
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Thesen zur aktuellen Problematik
1. Die Corona-Pandemie hat grosse Defizite im Gesundheitswesen vieler Länder sichtbar gemacht.
2. Sparzwang, Privatisierungen und Kostensteigerungen im Gesundheitswesen haben vielerorts zu einer zunehmenden Exklusion und abnehmender Gesundheitsversorgung armer und armutnaher Bevölkerungsgruppen geführt.
3. Obwohl das Gesundheitspersonal zu den systemrelevantesten Berufsgruppen zählt, sind die Arbeitsbedingungen häufig prekär und die Entlöhnung vielerorts ungenügend, was in der Corona-Zeit zu verstärkten Abgängen geführt hat.
Lösungsansätze
- Alle Menschen überall auf der Welt sollen Zugang zu einer umfassenden Gesundheitsvorsorge guter Qualität haben.
- Die individuellen Beiträge an die Gesundheitsvorsorge (Grundversorgung) dürfen 10% des Lohneinkommens nicht überschreiten. Mindestens 90% der gesamten Gesundheitskosten sollen entweder über direkte Staatsbeiträge (z.B. Steuern) oder über paritätische Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Beiträge finanziert werden.
- Jede Rationierung von Gesundheitsleistungen in der Grundversorgung ist abzulehnen, alle haben Anrecht auf die gleichen Leistungen, unabhängig von ihrem Einkommen.
- Alternative Therapieformen sind zu fördern.
- Alle Therapieformen – also sowohl schulmedizinische als auch darüber hinaus gehende alternative Therapieformen - sollen einem permanenten Wirksamkeitsmonitoring unterzogen werden.
Diskussion
Die Corona-Pandemie hat in vielen Ländern, vor allem in Ländern mit chronisch überforderten Gesundheitssystemen, zu einer enormen Zusatzbelastung für das Gesundheitswesen geführt. So zeigten sich vor der Covid-19-Epidemie in einer Befragung im Jahr 2012 Pflegefachleute je nach Land sehr unterschiedlich zufrieden mit ihren Arbeitsbedingungen: In Norwegen waren 71% der Pflegenden mit dem Arbeitsumfeld auf ihrer Abteilung zufrieden, in der Schweiz 63%, in Deutschland 48% und in Polen nur gerade 24% (vgl. Forster 2020:16). Die Corona-Krise hat einerseits die grosse Bedeutung des Pflegepersonals für die Gesundheitsvorsorge sichtbar gemacht – modern geworden ist ja in diesem Zusammenhang das Wort des Jahres 2020: Systemrelevanz –, anderseits aber auch die grosse Belastung der Pflegefachleute und Ärzte insbesondere in Krisensituationen. Geblieben sind die beängstigenden Bilder in italienischen Spitälern wie in Bergamo auf dem Höhepunkt der Corona-Krise im Frühling 2020 – und auch die Erinnerung an Mängel der medizinischen Versorgung mit Gütern wie Gesichtsmasken, Beatmungsgeräten, und punktuell auch des Mangels an Medikamenten und der Aufschiebung teilweise lebensnotwendiger Operationen im ersten Corona-Halbjahr.
Die Corona-Pandemie brachte für viele Spitäler zusätzliche wirtschaftliche Probleme. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft DKG gab Anfang Januar 2021 bekannt, dass die Krankenhäuser auch in diesem Jahr kurzfristige Liquiditätshilfen benötigten, weil sie ihr Leistungsangebot zurückfahren mussten. Die DKG warnte in einem Appell, dass die Krankenhäuser Deutschlands 2021 vor erheblichen wirtschaftlichen Problemen stehen würden (vgl. DKG 2021).
Wie überfordert viele Gesundheitssysteme in der Corona-Krise waren, zeigte etwa das Beispiel Grossbritanniens während der ersten Corona-Welle im Frühling 2020: In den Monaten während und nach der ersten Covid-19-Welle starben in Grossbritannien rund 47'000 Menschen an der Virusinfektion. Von denen waren aber nur etwa 5000, also knapp 11%, auf Intensivstationen behandelt worden (vgl. Bumbacher 2020:4).
Einen originellen Vorschlag hat Hans-Peter Studer (2010:68/69) gemacht. Er schlug vor, die Prämien der Versicherungsnehmenden zu splitten, und zwar in einen Solidaranteil, der wie bisher in den Risikotopf aller Versicherten fliessen sollte, und die andere Hälfte, die in ein persönliches, zweckgebundenes Gesundheitskonto fliessen sollte. Persönliche Gesundheitskosten würden zuerst aus diesem Gesundheitskonto beglichen, und erst wenn dieses Gesundheitskonto auf null wäre, würden die weiteren Behandlungskosten aus dem gemeinsamen Risikotopf aller Versicherten bezahlt – abzüglich einer Kostenselbstbeteiligung des Versicherten. Bei längerer Gesundheit und entsprechend hohem Stand des persönlichen Gesundheitskontos würde der Prämienanteil, der auf das persönliche Gesundheitskonto fliesst, schrittweise bis auf null sinken. Wenn man einmal davon absieht, dass eine zu hohe Kostenselbstbeteiligung unsozial ist und stark verringert oder gar aufgehoben werden sollte, scheint dieser Vorschlag durchaus diskutabel.
Forum
Angeführte Literatur
- Bumbacher, Beat
2020: Kampf gegen Corona auf dem Buckel der Älteren. Britische Spitäler stehen im Verdacht der Rationierung. In: Neue Zürcher Zeitung vom 27.10.2020. 4.
- DKG
2021: Deutsche Krankenhausgesellschaft DKG richtet Appell an Bundes- und Landespolitik: Krankenhäuser benötigen Liquiditätshilfen auch für 2021. 1.1.2021. Link.
- Forster, Christof
2020: Am Krankenbett herrscht Stress. In: Neue Zürcher Zeitung vom 19.9.2020. 16.
- Studer, Hans-Peter
2010: Gesundheitswesen als kosteneffizientes Solidarsystem mit Eigenverantwortung. In: Seidl, Irmi / Zahnt, Angelika (Hrsg.): Postwachstumsgesellschaft. Konzepte für die Zukunft. Marburg: Metropolis-Verlag.